foodwatch informiert …

A) „Politik setzt jetzt schon nicht um, was Bürger:innen wollen“!
B) …zu Glyphosat / Ursula von der Leyen: „Vorschlag der Kommission zerstört Glaubwürdigkeit des EU Green Deals“
C) …zu SPD / Werbeschranken für Ungesundes: „Die SPD erfüllt den Wunschzettel der Junkfood- und Werbelobby“
D) Mehr als 300.000 Menschen fordern Cem Özdemir auf: Glyphosat endlich verbieten!
E) Nach foodwatch-Abmahnung: Vitamindrink Hye stoppt irreführende Gesundheitswerbung
F) Repräsentative Umfrage: Deutliche Mehrheit befürwortet Kennzeichnung und Risikoprüfung von „neuer“ Gentechnik

A – Zum Start des Bürgerrats zum Thema Ernährung erklärt Chris Methmann, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch:

„Die Politik setzt jetzt schon nicht um, was die Bürger:innen eindeutig wollen. Eine breite Zweidrittel-Mehrheit der Deutschen wünscht sich Beschränkungen für Junkfood-Werbung zum Schutz der Kindergesundheit – doch FDP und SPD blockieren das Gesetz. Dieser Stillstand wirft einen düsteren Schatten auf den Bürger:innen-Rat. Er ist eine gute Idee, krankt aber daran, dass die Gesprächsrunde nur völlig unverbindliche Vorschläge machen darf. Ohne politischen Willen wird er versanden.“

B – Zum Vorschlag der EU-Kommission, das umstrittene Pestizid Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, erklärt Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch Deutschland:
„Ursula von der Leyen verspricht einerseits, dafür zu sorgen, dass in Europa weniger Pestizide verspritzt werden – und will gleichzeitig das meistverkaufte Ackergift für weitere zehn Jahre zulassen. Das ist unglaubwürdig. Die Kommissionspräsidentin lässt sich zwar gerne für ihren ‚Green Deal‘ feiern, der die EU angeblich grüner und nachhaltiger machen soll. Doch der Vorschlag der Kommission zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat zerstört die Glaubwürdigkeit des EU Green Deals.“

C – Tagesspiegel „Background“ berichtet heute über ein SPD-Eckpunktepapier, wonach das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplante Kinderlebensmittel-Werbegesetz (KLWG), stark abgeschwächt werden soll. Dazu erklärt Luise Molling von der Verbraucherorganisation foodwatch:

„Die Pläne der SPD bedeuten nicht weniger als eine Verwässerung des Kinderschutzgesetzes bis zur völligen Wirkungslosigkeit. Das zentrale Ziel – Kinder sehen deutlich weniger Werbung für Ungesundes – würde komplett verfehlt. Setzt sich die SPD mit ihren Verwässerungsvorschlägen durch, wird aus einem effektiven Gesetz zum Kinderschutz ein zahnloser Papiertiger.

Die SPD bringt genau die beiden Punkte auf, die sich die Lebensmittel- und Werbelobby zur Schwächung des Gesetzes wünscht: Eine Abkehr von an Uhrzeiten gebundenen Werbeschranken und eine Aufweichung des WHO-Nährwertprofils.

Werbung nur im Kinderprogramm zu beschränken, reicht nicht aus. Kinder leben in keiner Blase und sehen nicht nur Kindersendungen – jede dritte der bei Kindern beliebtesten Sendungen ist kein klassisches Kinderformat, sondern z.B. eine Sportübertragung oder eine Unterhaltungsshow. Kinder werden rund um die Uhr auf allen Kanälen mit Werbung für ungesunde Lebensmittel überschüttet – um sie davor zu schützen, brauchen wir strenge Junkfood-Werbeschranken von morgens bis abends.

Auch mit der angedeuteten Abkehr von den wissenschaftlich fundierten Nährwertprofilen der Weltgesundheitsorganisation zur Definition unausgewogener Lebensmittel erfüllt die SPD den Wunschzettel der Junkfood- und Werbelobby. Denn deren Interesse ist es, möglichst viele unausgewogene Produkte weitehrin unbeschränkt zu vermarkten.

Zudem wirft die SPD zwei Nebelkerzen, um zu bremsen: Zum einen soll – obwohl der Bund hier klar regeln darf – jetzt wieder gemeinsam mit den Bundesländern eine Regelung verhandelt werden. Zum anderen soll vor allem die Verpackungsgestaltung geregelt werden, was jedoch allein national schwierig umzusetzen wäre.

Die Vorschläge sind durchsichtige Ablenkungsmanöver, die offenbar die wahren Ziele der SPD verschleiern sollen: Das geplante Kinderschutzgesetz einzustampfen, damit McDonalds, Ferrero und Co. weiterhin satte Profite machen können.“

D – Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir muss gegen die geplante weitere Zulassung von Glyphosat in der EU stimmen. Dies fordern bereits mehr als 300.000 Menschen in einem gemeinsamen Online-Appell der Bürgerbewegung Campact und der Verbraucherorganisation foodwatch. Das Ackergift trage maßgeblich zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, schädige erwiesenermaßen die Bodengesundheit sowie Wasserorganismen und belaste das Grundwasser, kritisierten die beiden Organisationen. Laut Weltgesundheitsorganisation ist das Totalherbizid wahrscheinlich krebserregend. Trotzdem will die EU das Ackergift für weitere zehn Jahre zulassen. Am 13. Oktober soll final entschieden werden.

„Deutschlands Stimme ist in Brüssel entscheidend: Auf keinen Fall darf sich die Bundesregierung, wie bei der letzten Abstimmung, enthalten. Als grüner Landwirtschaftsminister ist Cem Özdemir in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Bienenkiller Glyphosat endlich verboten wird. Das Totalherbizid gehört nicht auf unsere Äcker“, so Matthias Flieder, Campaigner bei Campact.

Annemarie Botzki, Campaignerin bei foodwatch Deutschland: „Um Verbraucher:innen zu schützen und unsere Ernährung zu sichern, brauchen wir dringend einen kompletten Ausstieg aus der Pestizid-Landwirtschaft – ein Glyphosat-Verbot wäre ein bedeutsamer Schritt. Glyphosat ist nur die Spitze des Eisbergs einer fatalen Pestizid-Abhängigkeit der EU-Landwirtschaft.“

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten genutzte Unkrautvernichtungsmittel. Das Totalherbizid tötet nahezu jede Pflanze, die gentechnisch nicht so verändert wurde, dass sie den Einsatz überlebt. Das entzieht Arten wie Insekten oder Feldvögeln, die an Ackerlebensräume gebunden sind, die Nahrungsgrundlage. Der Wirkstoff gelangt zudem von den Feldern in Teiche, Flüsse und Seen und zerstört dort die Lebensräume von Mikroorganismen wie Würmern, Insekten und Spinnen.

E – Nach einer Abmahnung von foodwatch stoppt der Vitamindrink-Hersteller „Hye“ irreführende Gesundheitswerbung. Das Getränke-Start-up hatte in Beiträgen in den sozialen Medien den Eindruck erweckt, sein Vitaminwasser wirke gegen Müdigkeit und Kopfweh – laut foodwatch ein Verstoß gegen die europäische Health-Claims-Verordnung, die Verbraucher:innen vor falschen gesundheitsbezogenen Versprechen schützen soll. Das Unternehmen, das von Influencerin Cathy Hummels mitgegründet wurde, gab jetzt eine Unterlassungserklärung ab und verpflichtete sich, so nicht mehr zu werben.

„Hye bewirbt sein Vitaminwasser wie einen Zaubertrank. Tatsächlich handelt es sich einfach nur um Wasser mit etwas Saftkonzentrat und zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen, das mit irreführenden Gesundheitsversprechen überteuert verkauft wird“, sagte Rauna Bindewald von foodwatch.

In den konkret von foodwatch abgemahnten Posts auf der Social-Media-Plattform Instagram warb das Augsburger Unternehmen mit den Aussagen: „Mach Schluss mit Kopfweh oder Müdigkeit und trink hye“ sowie „Wenig Schlaf und trotzdem ist volle Konzentration angesagt? hye Pfirsich trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.“

Trend: „Functional Water“
Neben Hye fänden sich im Getränkeregal mittlerweile viele Produkte mit zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen, die die Hersteller mit positiven Wirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden vermarkteten, so foodwatch. Erst kürzlich hatte die Verbraucherorganisation sieben der häufig auch als „Functional Water“ bezeichneten Getränke unter die Lupe genommen. Die Produkte seien mit Preisen bis zu vier Euro pro Liter sehr teuer und enthielten zudem teils viel Zucker, kritisierte foodwatch. Die Drinks seien kein gesunder Durstlöscher.

Friederike Schmidt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, bewertete den gesundheitlichen Nutzen von Vitaminwassern als fraglich: „Aus ernährungsmedizinischer Sicht ist es wirtschaftlicher und gesünder, Wasser sowie Tee zu trinken und eine ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und Gemüse zu verfolgen, um den Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen zu decken. Mit den in den Drinks am häufigsten vorkommenden Vitaminen (B-Vitamine und Vitamin C) sind wir in Deutschland in der Regel ausreichend versorgt.“ Im Falle eines Mangels, der vor allem Schwangere oder ältere Menschen betreffen könne, sollte dieser besser gezielt mit Hilfe entsprechender Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden, empfiehlt die Ernährungsexpertin.

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen müssen seit 2012 durch EU-Behörden genehmigt werden – erlaubt sind derzeit rund 270 solcher „Health Claims“.

F – Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen spricht sich dafür aus, dass mithilfe „neuer“ Gentechnik hergestellte Lebensmittel geprüft und gekennzeichnet werden müssen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch. Demnach sprachen sich 96 Prozent der Befragten für eine Sicherheitsüberprüfung von Pflanzen aus, die mit neuen Verfahren gentechnisch verändert wurden. 92 Prozent sind der Meinung, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen – unabhängig davon, ob neue Verfahren oder klassische Gentechnik angewendet wurde. foodwatch bezeichnete die Ergebnisse als deutliches Signal an Bundesernährungsminister Cem Özdemir, sich in Brüssel für eine lückenlose Gentechnik-Kennzeichnung einzusetzen. Die EU-Kommission will die Gentechnik-Regeln für Lebensmittel aufweichen.

„Die Bürger:innen wollen wissen, was sie essen: Eine überwältigende Mehrheit sagt klar Nein zu Gentechnik ohne Kennzeichnung und Sicherheitsprüfung. Cem Özdemir darf sich nicht den Interessen der Agrarlobby beugen, sondern muss sich in Brüssel für Umwelt- und Verbraucherschutz starkmachen!“, erklärte Manuel Wiemann von foodwatch.

Die EU-Kommission plant eine Deregulierung des Gentechnikrechts. Sie will die so genannten Neuen Genomischen Techniken (NGT) ohne Kennzeichnung und Sicherheitsüberprüfung erlauben. Bisher hat sich die Bundesregierung noch nicht eindeutig zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission positioniert. Während sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke für die Kennzeichnung und Prüfung von „neuer” Gentechnik ausgesprochen hat, stimmt die FDP den Plänen der Kommission zu. Dabei zeigt die Umfrage: Auch 94 Prozent der befragten FDP-Anhänger:innen wünschen sich eine Risikoprüfung und 85 Prozent eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

Die Kommission erhofft sich durch die neuen Gentechnikverfahren unter anderem, dass sich der Einsatz von Pestiziden auf den Feldern reduzieren lässt. foodwatch hält dieses Versprechen für illusorisch. Es drohe das genaue Gegenteil: In Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Pflanzen ist in den 25 Jahren seit deren Einführung keinerlei Pestizidreduktion erzielt worden. In Brasilien beispielsweise hat sich der Pestizidabsatz in den letzten 20 Jahren mehr als vervierfacht.

„Von der Lockerung des Gentechnikrechts profitieren große Agrarkonzerne wie Bayer & Co., Verlierer sind die biologische Vielfalt, Verbraucher:innen und Bäuer:innen“, so Manuel Wiemann. Großkonzerne könnten die neue Gentechnik nutzen, um Saatgut über Patente zu kontrollieren und die landwirtschaftlichen Betriebe von ihnen abhängig zu machen. Dies führe zu einer höheren genetischen Uniformität – was wiederum einen höheren Pestizideinsatz zur Folge habe, warnte foodwatch.

foodwatch gab zu bedenken, dass aktuell zwar eine Aufweichung des Verbraucherschutzes diskutiert werde, der Großteil der Verbraucher:innen sich jedoch sogar eine Verschärfung im Gentechnik-Recht wünsche: 87 Prozent der Befragten befürworten eine Kennzeichnung von Tierprodukten, bei denen die Tiere mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden. Aktuell erfahren Verbraucher:innen beim Einkauf nicht, ob Fleisch, Milch oder Eier von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden.

Mehr als 60.000 Menschen haben eine foodwatch-Petition für ein klares „Nein“ zu Gentechnik ohne Kennzeichnung an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke unterstützt.

Forsa hat zwischen dem 8. und 13. September 1.003 in Privathaushalten in Deutschland lebende deutschsprachige Personen ab 18 Jahre telefonisch befragt.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert