Nocebo im Kopf

Arglistiger Zwilling des Placebos

Placebo – dieser Begriff ist inzwischen auch unter Laien geläufig. Relativ unbekannt ist hingegen der Ausdruck Nocebo. Doch was genau steckt dahinter? Gute Pillen – Schlechte Pillen klärt auf und berichtet aus der aktuellen Forschung, die spannende Ergebnisse liefert.

Den Nocebo-Effekt haben jüngst Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unter die Lupe genommen – mit verblüffenden Ergebnissen. Ausführliches dazu und weitere Beispiele finden Sie im Originalartikel der Ausgabe GPSP im www.gutepillen-schlechtepillen.de.

Das menschliche Gehirn ist schon eine merkwürdige Einrichtung der Natur: Es lässt zum Beispiel einen Patienten Schmerzlinderung empfinden, obwohl die eingenommene Tablette nur Zucker enthält. Eine positive Erwartungshaltung gepaart mit guten Erfahrungen, unter Umständen auch ein natürlicher Rückgang von Beschwerden, sorgen für den bekannten Placebo-Effekt. Von ihm profitieren Patienten und der Medizinbereich, inklusive aller Heilpraktiker und Wunderheiler.

Mund oder Mülleimer?
Aber das Placebo (wörtlich übersetzt „ich werde gefallen“) hat einen perfiden Zwilling, der auf den Namen „Nocebo“ hört („ich werde schaden“). Er sorgt dafür, dass einem schon beim Lesen des Beipackzettels ganz schwummrig werden könnte: Schwindel? Okay. Hautausschlag? Hautjucken? Na ja. Aber auch gleich tödliche Blutungen im Magen-Darm-Trakt? Eigentlich wollte ich doch nur schnell etwas gegen die Kopfschmerzen einnehmen … Bleibt nur die Frage, ob ich besser die Tabletten oder die Packungsbeilage im Mülleimer versenke.

Nebenwirkung
Solche unerwünschte Wirkungen sind zwar eine reale Möglichkeit, treten aber nicht zwangsläufig auf. Aus der Kenntnis der Nebenwirkungen wird aber manchmal eine selbsterfüllende Prophezeiung: Der Nocebo-Effekt verändert die Wahrnehmung des Patienten, erhöht die Aufmerksamkeit und kann dazu führen, dass körperliche oder seelische Reaktionen allein dadurch entstehen oder der Patient sie als solche betrachtet. Gerade dann kommt es auf eine besonders gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient an, die das Bild vom Schaden und Nutzen des Medikaments geraderückt.

Ungelöste Rätsel
Beim genaueren Hinsehen bietet der Nocebo-Effekt viel Stoff zum Nachden-ken: So haben Forscher in Studien zur Vorbeugung eines Herzinfarkts heraus-gefunden, dass Patienten seltener über Muskelschmerzen klagen, wenn sie nicht wissen, ob sie ein Statin zur Cholesterinsenkung oder ein Placebo einnehmen. In der Praxis, wenn die Patienten also die Risiken ihres Medikaments kennen, sind Muskelschmerzen eine der häufigsten Beschwerden. Allerdings sind starke Muskelschmerzen auch ein mögliches Anzeichen für tatsächliche Muskel-schäden, die sehr selten bei der Einnahme von Statinen auftreten können.

Was ist jetzt das beste Vorgehen, um Patienten durch den Hinweis auf mögliche Muskelbeschwerden nicht unnötig zu beunruhigen und trotzdem diese gefährliche Nebenwirkung im Auge zu behalten?
Die Frage ist bisher nicht hinreichend geklärt.

Ist billiger auch besser?
Und noch eine interessante Erkenntnis hat uns die Forschung zum Nocebo-Effekt kürzlich beschert: Bisher war schon bekannt, dass hinsichtlich der Wirksamkeit der Placebo-Effekt bei teuren Marken-Arzneimitteln stärker
ausgeprägt ist als bei günstigen Generika mit gleichem Wirkstoff.
Jetzt haben Wissenschaftler untersucht, wie sich der Verkaufspreis auf die Wahrnehmung von Nebenwirkungen auswirkt. Dazu behandelten sie Studienteilnehmer mit einer Hautcreme ohne Wirkstoff, die als angebliche Nebenwirkung die Haut temperaturempfindlicher machen sollte. Nach dem Zufallsprinzip benutzten die Forscher dabei eine Cremeverpackung, die entweder sehr teuer oder eher preiswert aussah. Verblüffenderweise verspürten die Teilnehmer bei der vermeintlich billigeren Creme weniger Nebenwirkungen als Teilnehmer, die das angeblich teurere Präparat angewendet hatten.

Günstige Arzneimittel richten in der Selbstwahrnehmung offenbar weniger Schaden an. Sie schonen also nicht nur den Geldbeutel, sondern offensichtlich auch die Nerven.

Gute Pillen – Schlechte Pillen ist ein Gemeinschaftsprojekt gegründet von: arznei-telegramm®, DER ARZNEIMITTELBRIEF und Pharma-Brief; mit Arzneiverordnung in der Praxis.
Herausgeber: Gute Pillen, Schlechte Pillen – Gemeinnützige Gesellschaft für unabhängige Gesundheitsinformation mbH, Bergstr. 38A, 12169 Berlin.

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