foodwatch kritisiert

„Gewissenlos und unverantwortlich“
foodwatch kritisiert FDP für Blockadehaltung bei Kinderschutz-Gesetz – Verbraucherorganisation fordert Schranken für Junkfood-Werbung.foodwatch protestiert vor FDP-Parteizentrale für Schutz der Kindergesundheit
Liberale sollen Blockade gegen Cem Özdemirs geplante Junkfood-Werbeschranken aufgeben. Mehr als 40.000 Menschen unterstützen foodwatch-PetitionDie Verbraucherorganisation foodwatch hat der FDP vorgeworfen, die von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplanten Junkfood-Werbeschranken zu blockieren und damit die Gesundheit von Millionen von Kindern aufs Spiel zu setzen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie hätten offensichtlich versagt. Es sei Zeit, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, so foodwatch. Mehr als 40.000 Menschen unterstützen eine foodwatch-Petition an die FDP unter www.foodwatch.org/de/mitmachen/fdp-suesse-profite-kranke-kinder. Aktivist:innen versuchten am Mittwoch die Unterschriften im Rahmen einer Protestaktion mit einem Christian Lindner-Double und zwei lebensgroßen Werbemaskottchen der Lebensmittelindustrie vor der FDP-Parteizentrale zu übergeben. Die Partei lehnte die Gesprächsanfrage von foodwatch jedoch ab.

„Der FDP sind die Profitinteressen der Junkfood-Industrie offenbar wichtiger als die Gesundheit der Kinder. Anders ist das Verhalten der Partei nicht zu erklären. Die Liberalen wollen das von Cem Özdemir geplante Kinderschutz-Gesetz bis zur Wirkungslosigkeit verwässern und ignorieren damit die Forderungen von Fachgesellschaften, Ärzteverbänden und Elternorganisationen“, erklärte Luise Molling von foodwatch.

Die FDP torpediert regelmäßig öffentlich das von Cem Özdemir geplante Gesetz. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ärgerte sich etwa in der Bild-Zeitung über Özdemirs „persönliche Verbotsfantasien“, sein Parteifreund Gero Hocker bezeichnete die Pläne als „Quark-Quatsch des Ministers“. Man wolle nicht „in den Kühlschrank der Bürger hineinregieren“. Werbebeschränkungen würden sogar in den „Erziehungsauftrag der Eltern eingreifen“.

Mit ihrer Kampagne konnte die FDP dem Ernährungsminister offenbar bereits Zugeständnisse abringen: Eigentlich hatte Özdemir geplant, die Werbung für unausgewogene Produkte im TV, Internet und Hörfunk tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich zu untersagen. Auf Druck der FDP beschränkt sich die Regelung nun wochentags nur noch auf die Abendstunden. Auch für Plakatwerbung soll es wegen des Widerstands der FDP nun lediglich eine 100-Meter-Bannmeile um Kitas und Schulen, nicht aber um Spielplätze und Freizeiteinrichtungen geben.

Erst gestern veröffentlichte das staatliche Max-Rubner-Instituts neue Daten zum Nährwertgehalt von Lebensmitteln. So sind gerade Produkte, die sich in ihrer Aufmachung an Kinder richten, besonders ungesund: Trotz der von der Vorgängerregierung eingeleiteten freiwilligen Reduktionsstrategie der Lebensmittelindustrie sei etwa bei Erfrischungsgetränken der Zuckergehalt nach wie vor hoch: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 Gramm auf 8,4 Gramm pro 100 Milliliter gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem 200 Milliliter-Trinkglas. Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 Prozent Zucker im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7 Gramm pro 100 Gramm)

Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarktet Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Allein die Süßwarenindustrie hat 2022 knapp eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben.

Kinder essen etwa doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.

foodwatch warnt vor „versteckter“ neuer Gentechnik
Protestaktion vor Bundeslandwirtschaftsministerium

Berlin, 29. Juni 2023. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat vor einer Lockerung der EU-Gentechnikregeln gewarnt. Verbraucher:innen könnten in Zukunft nicht erkennen, welche Lebensmittel oder Zutaten aus „neuer“ Gentechnik, dem sogenannten „Genome Editing“, erzeugt wurden. foodwatch forderte die Bundesregierung auf, sich in Brüssel für eine lückenlose Gentechnik-Kennzeichnung einzusetzen. Mehr als 62.000 Menschen unterstützen eine Petition der Verbraucherorganisation an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke. foodwatch-Aktivist:innen übergaben die Unterschriften am Donnerstag dem Landwirtschaftsministerium.

„Egal ob ‚alte‘ oder ‚neue‘ Gentechnik: Verbraucher:innen müssen beim Einkauf im Supermarkt selbst entscheiden können, ob sie mithilfe von Gentechnik erzeugte Lebensmittel kaufen wollen oder nicht“, erklärte Manuel Wiemann von foodwatch.

Die EU-Kommission erwägt offenbar, „neue“ Gentechnik ohne Kennzeichnung und Sicherheitsüberprüfung zu erlauben. Das geht aus einem Gesetzesentwurf hervor, der kürzlich an die Öffentlichkeit gelang. Die Brüsseler Behörde erhofft sich durch die neuen Gentechnikverfahren unter anderem, dass sich der Einsatz von Pestiziden auf den Feldern reduzieren lässt. foodwatch hält dieses Versprechen für illusorisch. Es drohe das genaue Gegenteil: In Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Pflanzen ist in den 25 Jahren seit deren Einführung keinerlei Pestizidreduktion erzielt worden. In Brasilien beispielsweise hat sich der Pestizidabsatz in den letzten 20 Jahren mehr als vervierfacht.

„Wenn wir das EU-Gentechnikrecht lockern, haben wir am Ende nicht nur mehr Gentechnik auf unseren Feldern, sondern womöglich auch mehr Pestizide“, so Manuel Wiemann. Großkonzerne könnten die neue Gentechnik nutzen, um Saatgut über Patente zu kontrollieren und die landwirtschaftlichen Betriebe von ihnen abhängig zu machen. Dies führe zu einer höheren genetischen Uniformität – was wiederum einen höheren Pestizideinsatz zur Folge habe, warnte foodwatch.

foodwatch-Statement zu Glyphosat
EFSA: „Wir reichen Klage gegen Glyphosat-Produkt ein“

Berlin, 6. Juli 2023. Zur Bewertung der EU-Lebensmittelbehörde EFSA zum Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat erklärt Annemarie Botzki von der Verbraucherorganisation foodwatch:

„Nach wie vor steht die Bewertung der WHO-Krebsforschungsagentur (IARC) im Raum, wonach Glyphosat ‚wahrscheinlich krebserregend beim Menschen‘ ist. Wenn die Wissenschaft keine eindeutigen Antworten liefert, muss politisch entschieden werden – und solange ernsthafte Zweifel an der Sicherheit von Glyphosat bestehen, ist nur eine Entscheidung denkbar: Die EU-Kommission muss dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen und dem Wirkstoff die Zulassung entziehen.

Wir brauchen dringend einen kompletten Pestizid-Ausstieg für eine gesunde und zukunftsfähige Lebensmittelproduktion. Mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe werden wir noch im Juli Klage gegen die Zulassung des Glyphosat-Produkts Roundup Powerflex einreichen. Glyphosat ist nicht nur ein Risiko für die Gesundheit von Verbraucher:innen, sondern hat auch verheerende Auswirkungen auf die natürliche Vielfalt unserer Äcker. Das Breitbandherbizid vernichtet auf den Feldern nahezu alle wild wachsenden Pflanzen und entzieht damit die Nahrungsgrundlage für Insekten und Feldvögel.“

Hintergrund:
foodwatch und die Deutsche Umwelthilfe hatten im April dieses Jahres formale Widersprüche beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gegen die Zulassungen von fünf Pestizid-Mitteln eingereicht, darunter das glyphosathaltige Roundup Powerflex von Monsanto. Weil das BVL diesen Widerspruch Mitte Juni abgewiesen hat, werden die Organisationen nun gegen die Zulassung des Produktes klagen.

Zu viel Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln:
„Die Schonfrist für die Junkfood-Konzerne ist abgelaufen“

Zu dem heute vom Max-Rubner-Institut (MRI) vorgestellten Produktmonitoring erklärt Luise Molling von der Verbraucherorganisation foodwatch:

„Die Ergebnisse zeigen: Die Lebensmittelindustrie ist nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems. Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt. Unternehmen ködern Kinder nach wie vor mit völlig überzuckerten Produkten. Die Schonfrist für die Junkfood-Konzerne ist abgelaufen: Um Fehlernährung und Adipositas im Kindes- und Jugendalter zu bekämpfen, brauchen wir dringend gesetzliche Maßnahmen: die von Bundesminister Cem Özdemir geplanten Junkfood-Werbeschranken, eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild und einen verpflichtenden Nutri-Score auf europäischer Ebene. Im Gegensatz zu den erfolglosen freiwilligen Selbstverpflichtungen, bekämen die Unternehmen dadurch einen starken Anreiz, ihre Produkte gesünder zu machen. Die FDP muss ihren Widerstand gegen die von Cem Özdemir geplanten Werbeschranken aufgeben und den Weg frei machen für ein starkes Gesetz zum Schutz der Kindergesundheit.“

Gefährliches Neonicotinoid
Belastung in Lebensmitteln mehr als verdreifacht – foodwatch fordert Verbot von Insektengift Acetamiprid

Berlin, 30. Juni 2023: Weil die EU den Einsatz bestimmter Neonicotinoide eingeschränkt hat, werden andere Insektengifte aus dieser Pestizid-Gruppe umso häufiger in der Landwirtschaft versprüht. Mit drastischen Folgen: Immer mehr Rückstände landen im Essen. So hat sich die Belastung von Obst und Gemüse mit dem Pestizid Acetamiprid in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Das zeigt eine Auswertung der Ergebnisse der deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden durch die Verbraucherorganisation foodwatch. Sehr häufig wurde das Insektizid in Süßkirschen, Pomelos, Zucchini, Auberginen, Spinat und Paprika gefunden. foodwatch forderte die Zulassung von Acetamiprid zurückzuziehen bis alle Studien in die Überprüfung einbezogen und strenge gesetzliche Grenzwerte festgelegt seien. In Frankreich ist das Pestizid bereits verboten. Studien hatten Rückstände des Mittels sogar in Gehirnen von Kindern und Erwachsenen nachgewiesen.

„Weil die EU bestimmte Neonicotinoide verboten hat, verspritzen Landwirt:innen andere Mittel umso mehr. Seit Jahrzehnten werden gefährliche Chemikalien gegen ebenso problematische ‚Alternativen‘ ausgetauscht. Mit diesem Teufelskreis muss endlich Schluss sein! Wir brauchen einen Ausstieg aus der Chemie-Landwirtschaft“, sagte Lars Neumeister, Pestizidexperte bei foodwatch.

foodwatch hatte bei der Durchsicht von Sitzungsprotokollen des zuständigen EU-Ausschusses (ScoPAFF) herausgefunden, dass ein EU-Mitgliedstaat im September 2022 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass es sehr hohe Rückstände des Metaboliten gibt und die gesetzlichen Höchstgehalte die Verbraucher:innen nicht schützen. Auch die Tatsache, dass der Acetamiprid-Metabolit in Gehirnen von Kindern nachgewiesen wurde, wurde thematisiert.

foodwatch hatte daraufhin beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) umfassende Daten zur Pestizid-Belastung abgefragt – Ergebnis: Während 2012 bei 2,1 Prozent aller auf Acetamiprid getesteten Lebensmittelproben Rückstände gefunden wurden, waren es 2021 7,4 Prozent. Der Acetamiprid-Metabolit, also das chemische Abbauprodukt, (Acetamiprid-Metabolit N-Desmethylacetamiprid) wurde 2021 fast doppelt so oft in Lebensmittelproben gefunden wie fünf Jahre zuvor: 2017 wurden bei 4,7 Prozent aller Proben Rückstände gefunden, 2021 bei 9,2 Prozent. Die tatsächliche Belastung ist laut foodwatch wahrscheinlich noch höher, da die Behörden nicht standardmäßig auf den Stoff testen – weil es keinen Grenzwert gibt.

Erst kürzlich war publik geworden, dass mehrere Pestizidhersteller den europäischen Aufsichtsbehörden bewusst Studienergebnisse zur Neurotoxizität vorenthalten hatten, obwohl sie dieselben Ergebnisse den amerikanischen Aufsichtsbehörden vorgelegt hatten.

„Der Fall Acetamiprid zeigt einmal mehr: Das Pestizid-Zulassungsverfahren in der EU hat gefährliche Lücken und muss komplett auf den Prüfstand“, forderte Lars Neumeister von foodwatch.

Acetamiprid ist ein Breitspektrum-Insektizid, das zur chemischen Klasse der Neonicotinoide gehört und das Nervensystem von Insekten angreift. Ein Metabolit ist ein Stoffwechselprodukt, das entsteht, wenn ein chemischer Stoff im Körper abgebaut wird. Acetamiprid und sein Metabolit können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und der Metabolit wurde sogar in Kindergehirnen gefunden. Untersuchungen von Gehirnflüssigkeiten zeigen einen „Cocktail“ verschiedener Neonicotinoide und derer Metabolite. Eine Reihe von Neonicotinoiden hat die Europäische Union 2018 verboten. Andere Insektengifte aus dieser Gruppe sind aber weiterhin zugelassen.

PMM


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