foodwatch.de teilt uns mit …

Preissprung bei Aldi, Lidl, Rewe & Co.: Eigenmarken verteuern sich deutlich stärker als Markenprodukte – foodwatch: Bundesregierung muss Menschen mit wenig Geld unterstützen.

Die Preise von Supermarkt-Eigenmarken sind im vergangenen Jahr besonders stark angestiegen. Das zeigt eine Analyse von Marktdaten, die foodwatch veröffentlicht hat. Die Verbraucherorganisation hat die Preisentwicklung von Lebensmitteln untersucht, deren Preise erhöht wurden. Das Ergebnis: Die Handelsketten haben die Preise ihrer günstigsten Eigenmarkenprodukte um durchschnittlich mehr als 30 Prozent erhöht. Markenprodukte haben sich dagegen nur halb so stark verteuert. Insbesondere Menschen mit wenig Geld, die auf die günstigen Lebensmittel angewiesen seien, hätten es daher noch schwerer, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken, warnte foodwatch. Die Bundesregierung müsse von Armut betroffene Menschen stärker unterstützen, etwa durch eine Erhöhung des Bürgergeldregelsatzes und ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas.

„In ihren Werbekampagnen verschleiern Lidl, Aldi, Edeka & Co. den Preissprung ihrer Eigenmarken. Trotz der hohen Preiserhöhungen werden die Eigenmarken nach wie vor als besonders günstig beworben. Aber: Für Menschen mit wenig Geld macht es einen enormen Unterschied, ob das Kilo Reis statt 0,99 Euro nun 1,49 Euro kostet oder der Preis von Speisequark sich fast verdoppelt hat. Hier geht es nicht um eine ‚Geiz ist geil‘-Mentalität, sondern um die Möglichkeit, sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen“, sagte Laura Knauf von foodwatch. „Gerade Kinder sind von Ernährungsarmut besonders stark betroffen – die Bundesregierung muss schnellstens handeln.“

foodwatch nutzte für die Analyse den Datenpool der Preis-App Smhaggle. Smhaggle basiert auf der Auswertung von Kassenbons, die die Nutzer:innen erfassen. Diese Daten zeigen, dass etwa 70 Prozent der Lebensmittel im Supermarkt teurer geworden sind. Und innerhalb dieser Gruppe stechen besonders die Preiseinstiegs-Eigenmarken der Handelsketten hervor. Das sind die günstigsten Eigenmarken jeder Produktkategorie im Supermarkt, zum Beispiel die Marken „Ja!“ von Rewe, „Gut&Günstig“ von Edeka, Milbona von Lidl oder Milsani von Aldi. Stiegen sie im Preis, taten sie das um durchschnittlich 30,9 Prozent. Dagegen wurden Markenprodukte im Jahr 2022 im Durchschnitt um „nur“ 14,5 Prozent teurer.

Um zu ermessen, wie sich die Preissteigerungen ganz konkret auf den Geldbeutel auswirken, hat foodwatch einen beispielhaften Warenkorb mit Aldi-Eigenmarken zusammengestellt. Dieser steht für einen typischen Einkauf mit den laut Smhaggle am meisten nachgefragten Produkten sowie Grundnahrungsmitteln. Darunter sind Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Öl, Tomatenmark, Milch und Käse. Dieser beispielhafte Einkaufskorb kostete im Februar 2023 mit 60 Euro knapp 15 Euro mehr als im Januar des Vorjahres. Das ist eine Preissteigerung von 32,6 Prozent. Da laut Smhaggle-Auswertung die Produkte aller Preiseinstiegs-Eigenmarken bei den großen Supermärkten in der Regel auf den Cent das Gleiche kosten, ließe sich die Verteuerung auf die anderen Handelsketten übertragen, so foodwatch.

foodwach forderte die Bundesregierung auf, Menschen mit wenig Geld stärker zu unterstützen. Die bisherige Erhöhung des Regelsatzes von 12 Prozent reiche nicht aus, um die versteckte Inflation der Eigenmarken abzufedern. Darüber hinaus sollte flächendeckend ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas nach Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung angeboten werden. So könnten die steigenden Lebensmittelpreise abgefedert und Mangelernährung bei Kindern vorgebeugt werden. Die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte müsse auf null sinken, um gesunde Ernährung so günstig wie möglich zu machen.

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FERNER ….

Studie zu Zuckerreduktion in Softdrinks: „Das Prinzip Freiwilligkeit hat versagt“

Berlin, 21. Februar 2023. Der durchschnittliche Zuckergehalt in Softdrinks ist in den vergangenen sechs Jahren laut einer Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK) um nur etwa zwei Prozent gesunken. Dabei hat die Lebensmittelindustrie im Rahmen der „Nationalen Reduktionsstrategie“ deutlich mehr versprochen. Dazu erklärt Luise Molling von der Verbraucherorganisation foodwatch:

„Das Prinzip Freiwilligkeit hat im Kampf gegen Fehlernährung und Übergewicht komplett versagt. Wer die Lebensmittelindustrie weiter nur höflich darum bittet, weniger Zucker in die Getränke zu tun, der macht sich mitverantwortlich für die Ausbreitung von starkem Übergewicht und der damit verbundenen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes. Bundesernährungsminister Cem Özdemir muss die von seiner Vorgängerin Julia Klöckner ins Leben gerufene freiwillige Reduktionsstrategie einstampfen und eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild einführen: Dort bekommen Softdrink-Hersteller seit 2018 durch die drohende Abgabe einen Anreiz, weniger Zucker einzusetzen – und das mit Erfolg: Der Zuckergehalt in den Getränken ist um 30 Prozent gesunken und auch die Zahl der übergewichtigen Kinder ist zurückgegangen.“

Hintergrund:
Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Lebensmittelindustrie versprochen, den Zuckergehalt in Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken. Einer Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) zufolge, ist der Zuckergehalt zwischen 2018 und 2023 tatsächlich nur um zwei Prozent heruntergegangen. In Großbritannien, wo es seit 2018 eine Limo-Steuer gibt, ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten.

Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, Verbraucherorganisationen und Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland.

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… foodwatch kritisiert …
Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel: foodwatch kritisiert Desinformationskampagne von Lobbyverbänden, FDP und CDU.

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Lobbyverbänden der Lebensmittel- und Werbewirtschaft sowie Politiker:innen von FDP und CDU vorgeworfen, mit irreführenden Aussagen die geplanten Kinder-Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel verhindern zu wollen. Die Gegner des Gesetzentwurfs führten die Öffentlichkeit unter anderem mit der Aussage in die Irre, dass Werbeschranken keine sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung von Übergewicht bei Kindern seien. Tatsächlich jedoch sei wissenschaftlich längst belegt, dass Werbung für ungesunde Lebensmittel das Ernährungsverhalten von Kindern negativ beeinflusst, so foodwatch. Sämtliche Fachorganisationen, darunter die Weltgesundheitsorganisation, medizinische Gesellschaften sowie Verbraucherverbände und Kinderschutzorganisationen, fordern deshalb Werbebeschränkungen als einen zentralen Baustein gegen Fehlernährung und Adipositas.

„Lobbyverbände, aber auch Spitzenpolitiker:innen von CDU und FDP, stellen Wirtschaftsinteressen offenbar über das Wohlergehen unserer Kinder. Mit irreführenden Aussagen säen die Werbeverbot-Gegner Zweifel an wissenschaftlichen Fakten – nur damit die Junkfood-Industrie weiter saftige Profite auf Kosten der Kindergesundheit machen kann“, erklärte Luise Molling von foodwatch.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat kürzlich Eckpunkte für ein Gesetz vorgestellt, das die an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel beschränken soll. So sollen etwa Influencer:innen in den sozialen Medien nur noch für Lebensmittel werben dürfen, die die Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfüllen. Im TV, Radio und Streamingdiensten soll Junkfood-Werbung tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr verboten sein. Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft laufen mit zweifelhaften Argumenten gegen die Pläne Sturm.

Das sind die sieben absurdesten Argumente gegen Werbeschranken:

Der Einfluss von Werbeschranken auf das Ernährungsverhalten und Übergewicht bei Kindern ist nicht belegt.
Fakt ist: Lebensmittelwerbung beeinflusst nachweislich das Ernährungsverhalten und die Kaufvorlieben von Kindern. Internationale Daten zeigen: In Staaten mit verbindlichen Werbeverboten ist der Junkfood-Verkauf in den Jahren 2002 bis 2016 um knapp neun Prozent zurückgegangen. In Ländern ohne solche Regelungen ist er im gleichen Zeitraum um knapp 14 Prozent gestiegen. Dass es noch keine belastbaren Studien zum Effekt von Werbung auf die Übergewichtsreduktion gibt, liegt allein daran, dass umfassende Werbebeschränkungen in anderen Ländern noch nicht lange in Kraft sind und repräsentative Daten zur Gewichtsentwicklung bei Kindern nur selten erhoben werden. Es ist aber wissenschaftlich klar belegt: Junkfood-Werbung führt zu mehr Junkfood-Konsum bei Kindern.
Die Finanzierung von Medien und Sport ist durch Werbeschranken in Gefahr.
Fakt ist: Weder Sport- noch Medienfinanzierung ist allein von der Werbung für Fett- und Zuckerbomben abhängig. Eine Auswertung der WHO zeigt, dass etwa für ein Drittel der Lebensmittel auf dem Markt weiterhin uneingeschränkt geworben werden dürfte – genau wie für alle anderen Produkte wie Körperpflege, Spielwaren, Möbel oder Versicherungen.
Bewegungsförderung sind bessere Ansätze, um Übergewicht zu bekämpfen.
Fakt ist: Die einseitige Fokussierung auf das Thema Bewegungsförderung ist ein Ablenkungsmanöver der Lebensmittelindustrie. Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. So nennt die Weltgesundheitsorganisation sowohl Werbebeschränkungen und fiskalische Maßnahmen wie eine Limo-Steuer als auch Maßnahmen zur Steigerung körperlicher Aktivität als zentrale Ansätze zur Bekämpfung der Adipositas-Epidemie.
Es liegt in der Verantwortung der Eltern, für eine gesunde Ernährung der Kinder zu sorgen.
Fakt ist: Selbstverständlich liegt es in der Verantwortung der Eltern, für eine gesunde Ernährung der Kinder zu sorgen. Aber warum sollten Eltern weiter gegen eine milliardenschwere Werbeindustrie ankämpfen müssen, die mit perfiden Marketingtricks ihre Kinder auf allen Kanälen mit Junkfood lockt? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht. Daher sollte die Gesundheit der Kinder durch eine Regulierung vor schädlichen Einflüssen geschützt werden, genauso wie es auch beim Alkohol- und Tabakwerbeverbot geschehen ist. Der Staat darf besonders solche Kinder nicht im Stich lassen, in deren Elternhaus eine gesunde Ernährung nicht gewährleistet ist.
Der Anteil der Kinder unter den Fernsehzuschauern zur abendlichen Primetime ist sehr gering.
Fakt ist: Kinder schauen laut Daten der AGF Videoforschung insbesondere abends Fernsehen. Jede dritte der von Kindern meistgesehenen Sendungen ist kein Kinderprogramm, sondern ein abends ausgestrahltes Sport- oder Unterhaltungsformat. Eine Untersuchung der Universität Hamburg hat gezeigt, dass TV-nutzende Kinder zur abendlichen Primetime im Durchschnitt fünf Werbespots für ungesunde Lebensmittel sehen.
Werbeverbote sind Bevormundung.
Fakt ist: Es geht nicht um Verbote von bestimmten Lebensmitteln, sondern um den Schutz der Kinder vor schädlichem Marketing – ähnlich wie beim Tabak- und Alkoholwerbeverbot. Kein Kind wird mündiger oder aufgeklärter, nur weil es mit Junkfood-Werbung bombardiert wird.
Das WHO-Nährwertprofil ist nicht umsetzbar und schließt bestimmte Produkte zu Unrecht von der Werbung aus.
Fakt ist: Das WHO-Nährwertprofil ist international anerkannt und explizit für die Regulierung des Kindermarketings entwickelt worden. Andere Länder wie Spanien, Österreich und Portugal nutzen es bereits. Eine Auswertung der WHO hat ergeben: 27 Prozent der Lebensmittel dürften gemessen an dem kürzlich aktualisierten WHO-Modell weiter an Kinder beworben werden – so z.B. Kellogg’s Cornflakes, ungesalzene Reiswaffeln, Studentenfutter oder auch alle ungesüßten Tees und Erfrischungsgetränke. Man kann über einzelne Grenzwerte streiten, aber das ist kein Argument gegen das Modell als solches. Das Bundesernährungsministerium plant übrigens nationale Anpassungen des WHO-Profils. So soll auch die Werbung für Vollfett-Milch und für 100%-Säfte weiter erlaubt sein.

Kinder essen etwa doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.


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