Fahrradstraße ungeeignet

Es gibt den Vorschlag, die Schildower Straße in Berlin-Hermsdorf in eine Fahrradstraße umzuwidmen.

Die „Initiative Offene Nachbarschaft“, die größte Bürgerinitiative in dieser Region, hält diesen Vorschlag aus folgenden Gründen für zurzeit nicht passend und nicht geeignet:
1. Das Bezirksamt Reinickendorf hat für rund 50.000,- € ein ausführliches Verkehrsgutachten zur „Verkehrsberuhigung der Schildower Straße im Waldseeviertel in Berlin-Reinickendorf“ in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen vor. Die Umwandlung der Schildower Straße in eine Fahrradstraße mit Zusatzzeichen „Anlieger frei“ wird darin als nicht geeignet bezeichnet. Hauptgründe waren die geringe Radverkehrsstärke, die Beeinträchtigung des Linienbusverkehrs, die fehlende Kapazität im übergeordneten Straßennetz und die zu erwartende Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf Wohnstraßen westlich und östlich der Berliner Straße (B 96).

2. Die Radverkehrsstärke auf der Schildower Straße ist mit 430 Rädern am Tag gegenüber rund 6.000 Kfz/24h relativ gering. Auf 14 Autos kommt ein Fahrrad. Dieses Verhältnis wird sich auch in absehbarer Zeit nicht grundlegend wandeln. Radverkehr ist nicht die vorherrschende Verkehrsart und wird es auch nach jetziger Evidenz nicht werden.

3. Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass der ÖPNV Vorrang haben muss. Die Schildower Straße wird zurzeit von der BVG-Buslinie 326 regelmäßig befahren. Nach dem Interkommunalen Verkehrskonzept der Umland-Gemeinden soll eine weitere Buslinie dazukommen. Diese Buslinie wird auch in der Schildower Straße entlanggeführt und soll helfen, den motorisierten individuellen Pendlerverkehr (MIV) aus dem Umland zu reduzieren. In einer Fahrradstraße haben allerdings Fahrräder Vorrang. In einer Fahrradstraße können nebeneinanderfahrende Fahrräder den Busverkehr behindern. Das ist zu vermeiden und nicht gewollt. Fahrradstraßen sollten durch ruhige Nebenstraßen ohne ÖPNV geleitet werden. Der ÖPNV soll nach übereinstimmender Ansicht Vorrang vor dem Individualverkehr haben, unabhängig davon, ob der Individualverkehr 2, 3 oder 4 Räder hat. Fahrradverkehr ist auch Individualverkehr (manchmal auch schon motorisiert). Dem Fahrradverkehr in einer Fahrradstraße Vorrang vor dem ÖPNV einräumen zu wollen, widerspricht den Grundsätzen der Verkehrsplanung. Fahrradstraßen sind folglich für Straßen mit öffentlichem Busverkehr eher nicht geeignet.

4. In den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) heißt es zu den Zeichen 244.1 und 244.2 (Beginn und Ende einer Fahrradstraße), dass „vor der Anordnung (einer Fahrradstraße) die Bedürfnisse des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen ausreichend berücksichtigt werden müssen (alternative Verkehrsführung)“. Eine alternative Verkehrsführung des Kfz-Verkehrs ist laut Gutachten (siehe oben) nicht möglich. Danach ist die Anordnung einer Fahrradstraße für die Schildower Straße nicht möglich und damit rechtswidrig.

5. Wenn die Schildower Straße nur für den motorisierten Anliegerverkehr freigegeben werden würde, was erforderlich ist, damit die Anlieger zu ihren Grundstücken kommen, stellt sich die Frage: „Wer ist Anlieger?“. Die Mutter und Oma aus der Käthestraße im Waldseeviertel könnte ihre Tochter und Enkelkinder in der Karl-Marx-Straße in Glienicke gleich hinter der Stadtgrenze nicht mehr auf kurzem Wege über die Schildower Straße besuchen. Sie ist ja kein Anlieger der Schildower Straße. Fast das gesamte Waldseeviertel , Hermsdorf und Glienicke wären vom kleinen, kurzwegigen Grenzverkehr abgeschnitten und ausgesperrt. Für die Glienicker und Berliner käme das einer Grenzschließung gleich.

6. Eine Fahrradstraße auf der Schildower Straße würde zu erheblichen Umfahrungsverkehr auf bereits jetzt verstopften Hauptstraßen und Knotenpunkten (Kreuzungen) und zu zusätzlichen Ausweichverkehren auf dann zusätzlich belasteten Wohnstraßen führen. Ein Kiez der kurzen Wege, der von allen gefordert wird, wäre vorbei.
Die zusätzliche Fahrzeit durch die gesperrte Schildower Straße wäre für einzelne Fahrzeuge vielleicht nur 5 oder 10 Minuten. Bei 6.000 Fahrzeugen am Tag summiert sich das allerdings schon auf 30.000 bis 60.000 Minuten am Tag. Das sind 500 bis 1.000 Autofahrstunden täglich, an denen CO₂ und andere Schadstoffe zusätzlich und unnötig in die Luft gepustet werden, und das nur an einem Tag.

Die Umwandlung der Schildower Straße in eine Fahrradstraße ist extrem klimaschädlich und passt nicht in unsere Zeit.

Dr. Helmut Bodensiek
Initiative Offene Nachbarschaft
www.offene-nachbarschaft.de
PMM


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert