Denkmalwert „Siedlung am Steinberg“

Stellungnahme zum Denkmalwert „Siedlung am Steinberg“

Ist der Denkmalwert der „Siedlung am Steinberg“ in Tegel durch umfassende Modernisierungsmaßnahmen in Frage gestellt?

Um sich dieser Frage zu nähern, ist die Begründung für den 1995 erteilten Denkmalwert und die historische Entwicklung im Kontext des Neu-Tegeler Raumes zu bewerten.

Seit 2011 liegen umfassende Genehmigungen für Veränderungen des denkmalgeschützten Ensembels vor, die u.a. Dachausbauten, Herausnahme von Doppel-Kastenfenstern, Anbau von modernen Wintergärten, Wärmedämmung und die Errichtung von Stellplätzen auf Gartenland vorsehen.

Das Landesdenkmalamt (LDA) begründet den Denkmalwert mit der eigenständigen Architektursprache des Architekten Hornig, wie z.B. den kräftigen Gesims, dem vorragenden, ausgebautem, tief heruntergezogenem Satteldach und den hohen Dacherkern zur Strasse, die insgesamt ein äußerst lebendiges Siedlungsbild erzeuge. Es wird das Bild einer kleinstädtischen Siedlung mit starken Einflüssen der Gartenstadtbewegung wiedergegeben. Zu diesem Eindruck trägt die Kombination von Haustypen, Gartenland, Dungwege und enge, abknickende und platzerweiternde Strassenführung bei.

Der Denkmalwert der Siedlung wird auch durch den sozial- und ortsgeschichtlichen Hintergrund bestimmt, weil sie ein frühes Beispiel der staatlichen Wohnungsfürsorge zur Linderung der Wohnungsnot darstellt. Das LDA hebt die Bedeutung der Siedlung für die Gemeindegeschichte Tegels hervor: In „ihrer Dichte und ihren Achsenbezügen“ habe sie eine „besondere stadträumliche Wirkung“.

Demgegenüber antwortet R.Lüscher von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt am 10.10.2014 auf die Schriftliche Anfrage der Partei Die Linke (Drucksache 17/14 615):

  • Die Siedlung sei Teil einer unvollständig realisierten Gesamtplanung
  • Sei eine Gartenstadtsiedlung von vielen in Berlin
  • Die Pläne für eine Erweiterung der Siedlung wurden im Keim erstickt
  • Durch die ebenfalls unter Denkmalschutz stehende drei- und viergeschossige Blockrandbebauung hätte die Siedlung keineswegs überbezirkliche Bedeutung

Nach BLUME (1937) war aber definitiv bereits vor dem ersten Weltkrieg gemäß den Plänen des damaligen Bürgermeisters Weigert im südlichen Neu-Tegeler Siedlungsgebiet ein „großstädtischer Zuschnitt“ geplant. Blume nennt diese Pläne „kühn vorwärtsstossend“. Die geschaffenen Strassenzüge heute Gorkistrasse, Tile-Brügge-Weg und Hatzfeldallee, die die Siedlung am Steinberg tangieren, hatten für Berliner Verhältnisse gewaltige Dimensionen, die „in Erstaunen“ versetzten. Der Geschossausbau entlang dieser Strassenzüge wurde durch die Einwirkungen des ersten Weltkrieges auf Eis gelegt (Blume spricht von „frostreif“ und „Blütenträumen“), und in den Jahren ab 1926 wieder aufgenommen. Im Gesamtresümee Blumes ist die Landschaftskunde der Tegeler Stadtlandschaft zu der Gruppe der „vielgesichtigen“ zu rechnen.

Wenn heute Doppelkastenfenster weggeworfen werden, der ursprünglich soziale Anspruch durch Luxussanierungen konterkariert wird, Dächer durch Anhebung und andere Biebergrößen nicht mehr funktionieren, Dächer mit Kunststofffenstern ausgebaut werden, Dungwege verschwinden und Gartenbereiche Stellplatzflächen weichen sollen, ist das sicher nicht im Sinne des Architekten Hornig.

Im Übrigen ist die umgebende offene, ebenfalls denkmalgeschützten Blockrandbebauung nach den Gesichtpunkten des sozialen Wohnungsbaues entstanden. Die weiten Durchlässe führen zu den parkähnlich gestalteten Wohnhöfen mit Anleihen an die englische Gartenstadtbewegung vor 1918.

In der Gesamtheit würde durch die geplanten Baumaßnahmen in der Siedlung am Steinberg (plus umgebender Blockrandbebauung) die GFZ von 0,9 sich nachteilig erhöhen.

In der Siedlung sollten die Originalputzfassaden, Doppelkastenfenster, Dachformen und Gartengrößen erhalten bleiben. Dem Ausbau von zeitgemäßen Wohngrundrissen und dem Einbau zeitgemäßer Zentralheizung stehen die angestammten Mieter nicht entgegen.

Offenbar hat das LDA verabsäumt, den bestehenden Dissens zwischen Mietern, Unterer Denkmalbehörde und Vermieter abzufragen. Unter der Prämisse der vorliegenden Genehmigungen kann von keinem nachhaltigen Erhalt der Originalsubstanz, wie es das LDA behauptet, gesprochen werden. Unklar bleibt, wie das LDA zu der Meinung kam, dass keine zusätzlichen übergreifenden Rahmenvorgaben für die Siedlung notwendig waren, aber jetzt ein abgestimmtes Rahmenkonzept vom LDA empfohlen wird. Welchen Inhalt soll dieses Rahmenkonzept beinhalten, und in wie weit sind die besonderen mieterschutzrechtlichen Regelungen gemäß GSW-Privatisierungsvertrag dort berücksichtigt?

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass Baudenkmale grundsätzlich von den Vorgaben der Energieeinsparordnung (ENEV) ausgenommen sind. Christina Wolf vom LDA hebt ausdrücklich hervor, dass für Häuser mit Stuckelementen Innendämmung eine praktikable Alternative darstellt. In der Siedlung am Steinberg mit einer Außenwandstärke bis 36 cm erscheint eine Außendämmung ohnehin äußerst fragwürdig. Gerade die Wärmedämmverarbeitung im Musterhaus An der Heide 4 gibt Anlass zum Verdacht, dass Kältebrücken durch unterschiedlich verarbeitetes Material entstanden sind, worauf auch die bestehende übermäßige Feuchtebildung im Keller hindeutet, wie auch das übermäßige Lüften des Hauses durch Mitarbeiter des Eigentümers.

Nach den bis jetzt vorliegenden Bauausführungen und erteilten Genehmigungen ist der Denkmalwert der Siedlung am Steinberg in höchstem Maße gefährdet.

Gez. – Bernd Baumgart

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