BienenVölker

Sehr geehrte Damen und Herren,
der juristische Kampf um die acht nach allen Untersuchungen gesunden und vitalen Bienenvölker in Pankow ist verloren: unser Vereinsmitglied, an dessen Bienenstand bei zwei von zehn Völkern die Bienenkrankheit „Amerikanische Faulbrut“ festgestellt wurde, musste sich nun dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts fügen (Beschluss OVG 5 S27.18 vom 10. Dezember 2018). Die acht Völker, die laut Laborbefund nicht erkrankt waren, wurden gestern getötet.

Vermutlich ist es dem Bezirk Pankow noch gar nicht so richtig klar, was die Durchsetzung des Beschlusses des Amtsveterinärs für einen Aufschrei in der Berliner Imkerszene verursacht hat. Das in vielen Augen unsachgemäße Vorgehen hat das Vertrauen in die Behörde stark gestört, und nun formiert sich Widerstand.

In einem ersten Schritt hat der Imkerverband Berlin e.V. zusammen mit dem Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V. eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, die Sie im Dateianhang finden. Außerdem können unsere Forderungen per Online-Petition unterstüttz werden:
www.openpetition.de/petition/online/kein-amtstieraerztlich-verordnetes-abtoeten-von-gesunden-bienenvoelkern-in-berlin

Zusammengefasst fordern wir vier konkrete Maßnahmen
von der Berliner Politik:

1. Wir möchten ein Berlin-weit verbindliches und abgestimmtes Konzept zur Bekämpfung der der Amerikanischen Faulbrut, das sich an der Bienenseuchen-Verordnung orientiert.

2. Wir möchten eine Chance für unsere Bienen gemäß der offiziellen „Leitlinie zur Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut der Bienen in Deutschland“, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMEL). Wir möchten, dass die bestehende Bienenseuchen-Verordnung auch in der praktischen Bekämpfung beachtet wird, die eine klare Unterscheidung zwischen tatsächlich erkrankten und gesunden Völkern vorsieht.

3. Wir sehen die vorstehenden Punkte als notwendige vertrauensbildende Maßnahmen damit ein systematisches, Berlin-weites Monitoring der Amerikanischen Faulbrut greifen kann. Ein solches Monitoring ist ausdrücklich erwünscht!

4. Wir möchten einen transparenten Umgang mit der Erkrankung! Imker und Imkerinnen sollten die Chance bekommen, mehr über die Erkrankung zu lernen – daher sind Bienenseuchensachverständige (BSSV) unverzichtbare Bestandteile einer funktionierenden Bienengesundheitsvorsorge.

Bei Rückfragen stehen Ihnen der Imkerverband Berlin e.V. und der Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V. gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Robert Tuchel
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, 2. Vorsitzender
Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V. – gemeinnütziger, eingetragener Verein (VR 32710 B) – Mitglied beim Deutscher Imkerbund LV Berlin

Stellungnahme des Imkerverband Berlin e.V. und des Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V. zum Beschluss OVG 5 S27.18 über die Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Tötung von Bienenvölkern in Pankow:

Mit Beschluss OVG 5 S27.18 vom 10. Dezember 2018 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das in der Vorinstanz gefällte Urteil über die angeordnete Abtötung von acht Bienenvölkern in
Pankow (VG 24 L 466.18). In der Folge mussten die Völker bis Mittwoch, dem 12.12.2018, durch den Imker abgetötet werden.

Der Imkerverband Berlin e.V. und der ihm angeschlossene Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V., in dem der betroffene Imker Mitglied ist, sind bestürzt angesichts dieser Entwicklungen und der dem Gerichtsentscheid
zugrundliegenden Argumentation des bezirklichen Amtstierarztes. Nach aktueller Erkenntnislage handelt es sich bei den acht Bienenvölkern um klinisch unauffällige und diagnostisch negative und damit gesunde Bienenvölker, die allenfalls das Pech hatten, ihre Postanschrift mit zwei tatsächlich an der Amerikanischen Faulbrut erkrankten Völkern zu teilen.

Wir respektieren die Aufgaben der bezirklichen Amtstierärzte, durch ihr Wirken die Überwachung und Bekämpfung solcher meldepflichtigen Tierseuchen zu koordinieren und zu überwachen. Allerdings sehen wir
den dringenden Bedarf, die Notwendigkeit und Angemessenheit der dafür anzuordnenden Maßnahmen sowie die Form der Durchsetzung zu reformieren.

Berlin braucht ein verbindliches, abgestimmtes Bekämpfungskonzept für die AFB.
Vor dem Hintergrund, dass die Verbreitung der Erkrankung vornehmlich durch die Bienen selbst – z.B. durch das Ausrauben erkrankter Völker – erfolgt, bestand in dem aktuellen Fall die vom Amtstierarzt vorgebrachte
Dringlichkeit der angeordneten Maßnahmen nicht, da Bienenflug in den Wintermonaten aufgrund der Witterungsbedingung sehr selten stattfindet und sich dann nicht in Räuberei äußert. Zudem konnten viele
Völker im eingerichteten Sperrkreis noch überhaupt nicht untersucht werden, so dass weder die ursprüngliche Infektionsquelle noch die Verbreitung möglicher weiterer Fälle ermittelt wurden.

In solchen Fällen sehen Fachleute wie der Leiter des Bieneninstitutes in Celle, Prof. Dr. Werner von der Ohe, keinen Abtötungsbedarf. Am Bieneninstitut Celle hat man bereits ausgezeichnete Erfahrungen mit der
Sanierung erkrankter oder möglicherweise erkrankter Völker gemacht, die auch noch nach dem Winter durchgeführt werden kann, und hat dafür ein in ganz Niedersachsen einheitlich verfolgtes Konzept erarbeitet.
Hierbei spielt die umfassende Untersuchung aller Bienenvölker im Umkreis des auffälligen Standes zur Ermittlung des eigentlichen Infektionsherdes eine entscheidende Rolle.

Die Amerikanische Faulbrut ist heilbar – wenn man Bienen und Imker die Chance gibt.
Die Amerikanischen Faulbrut ist nach zahlreichen Untersuchungen1 heilbar und die zugehörigen Methoden werden in zahlreichen Kursen durch sogenannte Bienenseuchensachverständige gelehrt. Sie sind Teil der offiziellen „Leitlinie zur Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut der Bienen in Deutschland“, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMEL).

Diese Vorgehensweise wird in vielen anderen Bundesländern erfolgreich angewendet. Aufgrund dieser bekannten Bekämpfungskonzepte hatte das Land Berlin im Jahr 2017 über eine Fördermaßnahme eigens die Anschaffung eines „Bienengesundheitsmobils“ für die Berliner Imkerschaft ermöglicht, mit denen die begleitend erforderliche Desinfektion von Imkereimaterial durchgeführt werden kann. Wir Imker und Imkerinnen möchten das „Bienengesundheitsmobil“ zum Wohle unserer Bienen sachgemäß in allen Bezirken nutzen dürfen.

Wir betrachten es nicht als Beitrag zur Gesundheitsvorsorge, wenn diagnostisch gesunde Bienenvölker vorsorglich abgetötet werden, nur weil sie in der Nähe von erkrankten standen.

Wir fordern die Beachtung der bestehenden Bienenseuchen-Verordnung2, die eine klare Unterscheidung zwischen tatsächlich erkrankten Völkern und sowohl in Diagnostik und Symptomatik negativ befundeten –
1 W. von der Ohe (2003): Apiacta 38, 137-139 /2 Bienenseuchen-Verordnung vom 3. November 2004 (BGBl. I S. 2738), zuletzt geändert 17. April 2014 (BGBl. I S. 388)
Völkern vorsieht und in zahlreichen bundeslandeigenen Durchführungsbestimmungen zur Bienenseuchenverordnung wie z.B. Brandenburg3 weiter ausgeführt ist.

Vor dem Hintergrund, dass sich viele Imker und Imkerinnen in Berlin Standplätze teilen oder dicht an dicht auf benachbarten Grundstücken Bienen halten, ist die individuelle Betrachtung von Bienenvölkern umso bedeutsamer. Eine Sippenhaft per „seuchenhygienischer Einheit“ ist weder zweckmäßig noch in der Bienenseuchen-Verordnung vorgesehen.

Berlin braucht ein koordiniertes, attraktives Monitoring für die Amerikanische Faulbrut Berlin hat ein tiefgreifendes Problem mit der Amerikanischen Faulbrut. Bereits 2002 wurden die besonderen Probleme der Stadt beschrieben4, und diese haben sich bis heute nicht geändert – so sind seit 2002 drei weitere AFB-Ausbrüche im Bezirk Reinickendorf auf stets die gleichen Linien zurückzuführen5.

Es ist daher aus epidemiologischer als auch aus imkerlicher Sicht gewünscht, dass mehr Imker und Imkerinnen die Möglichkeit der Frühdiagnostik mittels sogenannter Futterkranzproben nutzen. Hierzu ist ein Berlin-weit einheitlich koordiniertes und flächendeckendes Monitoring notwendig, für dessen Erfolg die vertrauensvolle und sachgerechte Zusammenarbeit zwischen Imkern und Amtstierärzten essentiell ist. Daher sind die unter 1. und genannten Bedingungen notwendige und hinreichende Bestandteile eines solchen Monitorings.

Berlin braucht einen transparenten Umgang mit der Amerikanischen Faulbrut und geschulte Bienenseuchensachverständige.
Zu einem wirkungsvollen Konzept zur Bekämpfung der Seuche gehört unserer Meinung nach auch, dass Imker und Imkerinnen das Schadbild der Erkrankung bei solchen Funden kennenlernen dürfen und nicht pauschal ausgeschlossen werden.

Insbesondere die in anderen Bundesländern bewährten „Bienenseuchensachverständige“ (BSSV) sollten bei Ausbrüchen eingebunden werden, damit sie die Bekämpfung aber auch die Informationsverbreitung zum Wohle der Bienen koordinieren. Die in diesem Fall deutlich gezeigte „Geheimniskrämerei“ um diese meldepflichtige Tierseuche durch striktes Verbot der
Begehung des betroffenen Bienenstandes durch andere Personen verstärkt auch nach Erfahrungen aus Celle eher die Gefahr der Verdeckung sowie Verschleppung und verhindert das frühzeitige Erkennen von Ausbrüchen.

Wir sind der Ansicht, dass ein offener Umgang mit der Amerikanischen Faulbrut nicht über Bußgeldkataloge erzwungen werden kann, sondern nur über einen fairen Dialog zwischen allen Beteiligten und transparente
Abwägung der Handlungsoptionen unter Einbeziehung der betroffenen Imker und Imkerinnen. Hierbei sehen wir Bienenseuchensachverständige als wertvolle Bindeglieder zwischen Imkern und Amtstierärzten, die
insbesondere die Überwachungspflichten der aufwendigeren Sanierungen schultern und damit die Veterinäre entlasten könnten.

Das hier angeordnete Abtöten von an die 100.000 Bienen allein auf Basis eines unbelegten Erkrankungsverdachtes ist tierethisch nicht vertretbar und ist kontraproduktiv bei der Bekämpfung des Ausbruchs. Auch trägt eine solche Vorgehensweise nicht dazu bei, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Amtstierärzten und der Imkerschaft zu fördern.

Die gerichtliche Unterstützung des hier gezeigten Vorgehens kritisieren wir ausdrücklich und werden unser Mitglied bei der weiteren Aufarbeitung des Falls nach allen Möglichkeiten unterstützen! Hierbei ist es unser erklärtes Ziel, eine am Tierwohl orientierte und auf gegenseitigem Respekt beruhende Bienenseuchenbekämpfung unter Berücksichtigung einer zeitgemäßen und an den städtischen Kontext
angepassten Imkerei zu etablieren.

Berlin, den 12.12.2018

3 Verwaltungsvorschrift des Brandenburger Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom Juli 2011 Az.: 32-0430/72
4 F. Koithan (2002): Dissertationsschrift am FB Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen
5 E. Genersch (2018): Vortrag beim Berliner Imkertag an der Freien Universität Berlin

PMM – kb166


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