Dorfkrug Tegel

Dorfkrug Tegel 15 zuWer hätte das gedacht?
Gestern war der „Dorfkrug Tegel“ noch unter den TopTen der       Berliner KiEZ-Kneipen, Frank Zander begeisterte das Publikum, „die Hütte“ war voll bis zum Krachen und heute … das AUS … nach über 100 Jahren Bestehen!?
Das KiEZBLATT sprach mit Rosi (8te v.r.), der Dorfkrug-Wirtin.

KB > Rosi – warum „Wir schließen für immer!“ – ging der Dorfkrug pleite?
Aber bei Weitem nicht – wissen Sie, wer an diesem, mithin Tegels bestem Standort, pleite macht, dem ist nicht mehr zu helfen. Zur Schließung habe ich mich sehr schweren Herzens aus folgendem Grund entschlossen.
Ich bin 26 Jahre Mieter des Hauses in Alt-Tegel 4. Es lief immer alles sehr gut mit dem Vermieter.
Allerdings hatte dieser aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr mit uns. So kümmerte sich ab dann seine Tochter um die Mieterprobleme. Das tat sie allerdings mir gegenüber ohne belegte Vollmacht, also ohne Befugnis ihrer Eltern.
Ja – warum auch nicht, aber Gott weiß, aus welchem Grund, begann eine permanente Schikane meiner Gäste, meines Personals und natürlich auch meiner Person.
Bei dem tollen Superevent von Schultheiss „Rettet die Berliner KiEZKNEIPEN“ kam dann „das Fass zum Überlaufen“ und ich zum Entschluss – Rosi, das musst du dir mit deinen 73 Jahren nicht mehr bieten lassen, das musst du dir nicht mehr antun – ich schließe die Kneipe, so schmerzhaft es auch sein mag!

KB > Das hat sicherlich Ihre Gäste „geschockt“?
Ja, das tut mir auch sehr leid, wobei ich auch sagen muss, dass Alle, die die Situation kannten volles Verständnis für meinen Entschluss zeigten.
An dieser Stelle ein ganz großes, großes Dankeschön an alle „Dorfkrug Fans“ für ihre jahrelange Treue „durch Dick & Dünn“. Es gab Vieles zu feiern aber auch Trauriges und Besinnliches haben wir gemeinsam durchlebt.
Wenn ich mal erzählen darf:
Ich hatte ja unsere Gäste fast ein Leben lang im Dorfkrug gehabt. Viele haben sich bei uns kennengelernt, haben geheiratet. Wir erlebten gemeinsam den Verlust von geliebten Menschen mit. Wir kannten uns und wussten somit was der hat, wo dem der Schuh drückt, bei wem es neue Probleme gab und wo sich alte Zwistigkeiten wieder in Versöhnung umschlug. Wie eine große Familie, die sich über die Jahre therapierte. Dazu ist ja auch eine gut funktionierende Kneipe da – wesentlich besser als einsam vor der Glotze zu Hause. Eine Stätte, wo und das habe ich immer wieder erlebt, mit großem Verständnis das Herz ausgeschüttet und die Seele gestärkt werden konnte.

KB > Wie war das in den 26 Jahren?
Der Dorfkrug war eine Kneipe, die mir immer sehr wichtig war. Aufgrund seiner Aufmachung, seiner Tradition und natürlich auch wegen seiner wunderschönen Lage in der Fußgängerzone.
Ja – so habe ich ständig investiert. Von mir wurden neu gemacht: Fenster – die Elektrik – die Toiletten – die Küche – ein historisches Rückbüfett mit einem wunderbaren Tresen eingebaut – einen extra Raucherraum geschaffen. Ich hatte Dart und Sky im Angebot. Skat wurde bis zuletzt gespielt und regelmäßig gab es „Tanz mit Musike“.
Meine Küche mit dem Eisbein, den Kohlrouladen, der Berliner Leber sind natürlich besonders gut gelaufen – ja, es war ganz normal, dass unsere Stammgäste auch aus den USA, Kanada oder direkt aus London usw. immer wieder bei mir einkehrten.

KB > Rosi sitzt also jetzt im „Lehnstuhl“ und strickt?
Nein – ja ich stricke gern – aber nein ich habe ja noch 2 weitere Kiezkneipen, die ich meinen „Fans“ an´s Herz legen möchte. Einmal in Spandau das „Falken Eck“ in der Falkenseer Chaussee 30 (tgl ab 10 bis ? Mo Ruhetag) 13583 Berlin sowie im Wedding die urgemütliche Berliner Raucher Kiezkneipe das „Bauernstübchen“ in der Bastianstraße 9 (tgl. ab 15 bis ?) 13357 Berlin. Auch hier im „Bauernstübchen“ werde ich für meine Gäste noch weiter investieren.

KB > Wie muss man sich das finanziell vorstellen?
Na ja, diese Renovierungen sind nicht billig – mit ca. 30.000 € muss ich da wohl rechnen.
KB > Rosi – dann ist ja mit einem Ruhestand vorläufig nicht zu rechnen -oder?
Ruhestand – wo denken sie hin! Darüber hinaus bin ich ja noch im Touristischen tätig. Die Berliner machen bei mir in den wunderschönen Landschaften auf Rügen und im Harz Urlaub. Auf Rügen stehen in Lobbe 10 Ferienhäuser und in Göhren habe ich 9 Ferienwohnungen sowie in Wernigerode 11 Ferienwohnungen für meine Gäste zur Verfügung. Falls Ihre Leser daran Interesse haben, sollen sie sich bei Ihnen unter 030 97 880 110 melden und ich rufe dann zurück.

KB > Rosi – KiEZ-Kneipen – sind diese Alkoholiker Quellen?
Das möchte ich auf keinen Fall sagen. Natürlich kommen meine Gäste und spannen in der Regel mit 2 – 3 Bieren ab. Sind das Alkoholiker? Natürlich habe ich den einen oder anderen, den ich als Alkoholiker bezeichnen könnte aber die überwiegende Anzahl, ich meine so zu 90% sind Genießer in geselliger Gemütlichkeit. Natürlich bei besonderen Anlässen wird auch mal „über den Durst“ getrunken – doch das habe ich ja auch an anderer Stelle wie zu Hause. Als Alkoholiker Quelle würde ich meine Kneipen auf keinen Fall bezeichnen. Übrigens so wie früher, dass zusätzlich noch Schnaps getrunken wurde – diese „Schnapszeiten“ sind schon lange vorbei. Daraus erkenne ich, dass die „Flachmanntrinker“ keine Kneipenkunden sind. Wahrscheinlich allein schon des Geldes wegen.

KB > Rosi – 26 Jahre Fußgängerzone – was sagen sie zum Standort Tegel?
Vor der Wende war sehr gut zu tun. Dann folgten 2 tolle Jahre und danach ging es nur noch bergab. Als dann noch das „Rauchergesetz“ für die Gastronomie kam war das ein erheblicher „Schlag in´s Kontor“. Die Krönung war dann noch, dass Karstadt schloss.
Von da an beschleunigte sich der Abwärtstrend noch mehr. Und da so viele Läden nur noch „Schwund“ haben – es gibt doch nichts mehr zu kaufen in Tegel! – Die Leute kommen doch nicht mehr zum Einkaufen nach Tegel, dafür fahren sie doch gleich durch. Die Umsätze sind am Limit. Und wenn man noch die alten Leute mit einbezieht – ich finde es toll was für uns Älteren alles gemacht wird. Aber dass überwiegend in Tegel nur neuer Wohnraum für Senioren geschaffen wird finde ich nicht gut. Wer von den Alten geht denn raus? Diese Menschen haben doch gar kein Geld, das geht doch völlig für die Unterbringung drauf und wenn sie Pech haben geht der kleine Rest noch für Medikamente in die Apotheke. Auch das schadet immens dem Umsatz. Beobachten sie mal das Geschehen – früher quollen aus den 3 U-Bahnausgängen die Bummler – heute? Die, die noch kommen, gehen runter zur Promenade und dann wieder zurück. Da bleibt kaum noch „was hängen“. Und wenn jetzt der Platz neu gestaltet wird – na hallo Umsatz – in diesen Monaten oder wenn ich an die Rolltreppe d´rüben denke, vielleicht Jahre – für die anliegenden Tegeler Geschäfte > „gute Nacht“.
Die Umsatzzahlen in Tegel gehen kontinuierlich runter und für die Zukunft sehe ich mit Sicherheit kein Licht am Horizont. Von der früheren Attraktivität ist eben nichts mehr übrig geblieben – leider!

KB > Rosi – als Unternehmerin haben sie mit ihrer Entscheidung ihre Mitarbeiter arbeitslos gemacht?
Nein – auf keinen Fall. Ich habe meine Stammbelegschaft behalten und in meinen Betrieben untergebracht.

KB > Liebe Rosi –
wir haben gehört und mitempfunden, dass die Schließung des über 100jährigen erfolgreichen „Dorfkrug Tegel“ ein großes emotionales Loch in ihre  Firmengeschichte gerissen hat.
Aber mit der Fülle an unternehmerischen Aufgaben sind sie weiterhin sicherlich mehr als ausgelastet.
In Bezug auf ihr Alter können wir und da meine ich sicherlich auch im Namen unserer Leserinnen & Leser nur den Hut ziehen, einfach toll und ihnen noch viel erfolgreiches Wirken und immer 1 Ct. mehr in der Kasse als notwendig wünschen.

Vielen Dank für das Gespräch – Ahoi! – die Redaktion.
Das Gespräch mit Rosi führte Frau Otto

Ein Bild von der Abschlußveranstaltung:
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